LOGIN
English


Leandro Anguissola. Stadt und Schloß Sigeth. 1689. Manuskriptkarte.
Los 49
Kategorie Topographie Graphik Ausland
Künstler Anguissola, Leandro
Szigetvár/Ungarn. - Statt und Schloß Sigeth/ samt der gantze Situation und bloquada// So aus befehl des Herrn General feld=marschall=Leu=/ tenant Grafen von Daun, etc: etc: mit aller fleiß/ nach dar Maßstab abgemeßen und in grundt gelegt/ worden durch Leandro Anguissola Kaÿl: Haubt=/ mann, und bestelter under Ingenieur in der Kaÿl:/ Residenz Stadt Wienn. Anno 1689. Manuskriptkarte von Leandro Anguissola, 1689. Feder und Aquarell auf Bütten (WZ Schlange mit Krone, re. u. li. Buchstaben F u. L).
Kartenrahmen 47x72,6-73,5 cm, Kartenfeld ca. 46,2 x 71,7-72,5 cm, Blattgröße ca. 50,6 x 76,4-77,2 cm. Maßstab ca. 1:20.000.

Die im Jahr 1689 erstellte Manuskriptkarte stammt aus der Zeit des Großen Türkenkrieges (1683-1699), der mit der zweiten Belagerung Wiens begann. Nachdem die kaiserlichen Heere die Türken geschlagen hatten, drangen sie in den folgenden Jahren bis tief nach Ungarn und in den Balkan vor. 1686 wird Ofen (Buda), der heutige Stadtteil Budapests genommen. Unter dem Oberbefehl des Prinzen Eugen von Savoyen (1663-1736) errangen die Kaiserlichen 1697 in der Schlacht bei Zenta am Unterlauf der Theiß den entscheidenden Sieg, der den Weg zum Friedensvertrag von Karlowitz (1699) freimachte. Darauf stieg die Habsburger Monarchie zum europäischen Großreich auf.
Der aus dem oberitalienischen Piacenza stammende Urheber der Manuskriptkarte, Leandro Anguissola (1653-1720), gehörte neben Luigi Ferdinando Marsigli (1658-1730), Johann Christoph Müller (1673-1721) und Johann Jacob von Marinoni (1676-1755) zu den renommierten Militärkartographen der Zeit, die mit der Erstellung exakter Karten und Pläne im großen Maßstab vertraut waren. Dazu gehörten handgezeichnete Fortifikations-, Kriegsdokumentations- und Schlachtenkarten, die streng geheim waren und von denen jeweils eine Kopie an den Hofkriegsrat, der zentralen Militärbehörde in Wien, abzuliefern war.
Genau in diesem Kontext steht Anguissolas Aufnahme der südungarischen Stadt Szigetvár mit seiner unmittelbaren Umgebung. Sie ist mit dem 13. Februar 1689 datiert und wird in Wien im Kriegsarchiv (ehemals Hofkriegsrat), einer Abteilung des Österreichischen Staatsarchivs, aufbewahrt. Die im großen Maßstab angefertigte Manuskriptkarte zeigt den "Abriss von der Stadt und Festung Sigeth …". Ein spektakuläre Aussage findet sich neben einer der Signaturen in der Kartenlegende, welche auf den Sterbeort eines der bedeutendsten Herrscher der Weltgeschichte verweist: Orth wo der Türckhische Kaysßer Solimanus ist gestorben. Mit Solimanus ist kein geringerer als Sultan Süleyman der Prächtige gemeint, der das Osmanische Reich auf den Höhepunkt seiner Macht und Kultur führte. 1566 kam es bei Szigetvár während des Zweiten Österreichischen Türkenkrieges (1566-1568) zu einer verlustreichen Belagerung und Schlacht zwischen den angreifenden und siegreichen Türken unter Süleyman und den ungarischen Verteidigern unter Nikola Šubić Zrinski. Geschwächt durch das Alter und die Strapazen der kriegerischen Auseinandersetzungen verstarb der 72-jährige Süleyman der Prächtige in seinem Zelt vor der Stadt. Der einbalsamierte Leichnam des Sultans kam nach Istanbul. Sein Herz und seine Eingeweide verblieben in der Umgebung von Szigetvár und wurden einem Gefäß, der Legende nach gar einem goldenen, beigegeben und begraben. Darüber errichtete man eine Türbe (Mausoleum), die Ausgangspunkt für eine osmanische Siedlung namens Turbék war und Ende des 17. Jahrhunderts von den Habsburgern zerstört wurde.
Mit akribischer Feldforschung und interdisziplinärer Methodik haben sich ungarische Wissenschaftler 2012 nochmals auf die Suche nach der Begräbnisstätte des größten aller osmanischen Sultane begeben. Norbert Pap von der Universität Pécz leitete das von der Türkei und dann auch von Ungarn geförderte Projekt. Das Forscherteam wertete sämtliche verfügbare Schrift- und Kartenquellen aus, darunter auch neu entdeckte Dokumente. Unterstützt durch ein Geographisches Informationssystem war man in der Lage, die Landschaft des späten 17. Jahrhunderts zu simulieren. Archäologische Funde und geophysikalische Untersuchungen rundeten die detaillierten Untersuchungen ab. Resultat: Die Lokalisierung des Grabmals konnte gegenüber früher bekannten Quellen neu präsentiert werden, als man Ende 2015 auf die Grundmauern der kleinen Stadt stieß.
Als geradezu sensationeller Fund taucht jetzt die vorliegende zweite, fast identische Karte auf, deren Urheberschaft ebenfalls auf Anguissola zurückgeht. Gegenüber dem Exemplar aus dem Kriegsarchiv enthält sie eine Maßstabsskala in Wiener Klaftern und greift weiter nach Osten und Süden aus. Aber das bisher Außergewöhnliche und Aufsehenerregende dabei ist, dass diese Karte neben dem Sterbeort (Orth wo der Türkische Kayser Solimani gestorben) noch eine davon östlich gelegene Begräbnisstätte beinhaltet (Turbek Eine kleine Stadt, wo des Solimani seine Ingeweit sind begraben worden.). Dieser Ort deckt sich erstaunlicherweise weitestgehend mit dem der erst kürzlich zutage geförderten Mauerreste.
Man darf jetzt spekulieren, welche Motive Leandro Anguissola mit den beiden Kartenvarianten verfolgte.

Ränder und Faltung alt unterlegt. Eine kleine ergänzte Fehlstelle im w. Rand. Leichte Knitterspuren. Insgesamt nur unbedeutende Altersspuren.
Schätzpreis € 45.000